Sensor- und risikobasiertes Frühwarnsystem für Seedeiche

    Ziel des Projekts


    See- und Ästuardeiche schützen mehr als 2,4 Millionen Menschen und zählen zu den wichtigsten Küstenschutzanlagen in Deutschland. Ein Versagen der Bauwerke hat meist schwerwiegende Konsequenzen zur Folge. Ein frühzeitiges Erkennen von Gefahren und das rechtzeitige Verhindern eines möglichen Deichversagens sind daher elementar um einen zuverlässigen Küstenschutz zu ermöglichen.

    EarlyDike Frühwarnsystem Diagramm AP

    Ziel von EarlyDike ist die Entwicklung eines sensor- und risikobasierten Frühwarnsystems für Seedeiche. Neben äußeren Belastungsgrößen (z. B. Wasserstand, Wind und Wellen) soll die Widerstandsfähigkeit des Bauwerks berücksichtigt werden. Unter Verwendung von intelligenten Geotextilien wird hierzu ein Deichmonitoringsystem aufgebaut. In einem neuentwickelten Deich-GeoPortal sollen die Echtzeitdaten zum Zustand des Bauwerks und zu allen äußeren Belastungen dem Endnutzer (z.B. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk) direkt zur Verfügung gestellt werden. Auf Grundlage dieser Daten kann im Katastrophenfall rechtzeitig gewarnt und ein effektives Katastrophenmanagement durchgeführt werden. Das Forschungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und läuft über einen Zeitraum von 36 Monaten. In fünf Teilprojekten sind insgesamt sechs Forschungsinstitutionen am Vorhaben beteiligt. Darüber hinaus erfolgt die Einbeziehung von Partnern aus Verwaltung und Industrie, die einen erfolgreichen Wissenstransfer und die Implementierung der Forschungsergebnisse in die Praxis ermöglichen.


    Geoportal


    In diesem Geoportal werden die Ergebnislayer des Projekts in der Rubrik "EarlyDike Layer" dargestellt. Des Weiteren sind von verschiedenen Quellen Fachlayer eingebunden, die sich mit dem Hochwasserrisikomanagement oder auch mit Unwetterwarnungen befassen. Durch einen Klick auf den Layernamen in der Kategorie "EarlyDike Layer" im Layertree werden dessen Metadaten in einem neuen Fenster geöffnet.

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    Vorstellung der Arbeitspakete


    In Arbeitspaket 1 des Projektes EarlyDike mit dem Titel „Sturmflutmonitoring und Sturmflutsimulator“ werden neue Methoden zur flächenhaften Vorhersage von Wasserständen mit hoher zeitlicher (d. h. von mind. 15 Min.) und räumlicher (d. h. in Abständen ≤ 1 Kilometer) Auflösung für die gesamte Küstenlinie der deutschen Nordsee entwickelt. Hierzu kommt ein hydrodynamisch-numerisches Modell zum Einsatz, mit dessen Hilfe mindestens 65 Jahre Wasserstandsinformationen für die gesamte deutsche Nordseeküste simuliert werden. Die Modellbildung erfolgt auf Basis aktueller bathymetrischer Informationen, meteorologischer und astronomischer Randbedingungen sowie den für die betrachtete Periode relevanten Änderungen des mittleren Meeresspiegels. Die auf diese Weise generierten Wasserstandsinformationen für die Vergangenheit werden zur Ableitung empirischer Windstau-Formeln genutzt, die anschließend unter Verwendung meteorologischer und ozeanografischer Randbedingungen in den operationellen Betrieb integriert werden können. Hierdurch sollen bereits bestehende operationelle Modelle zur Hochwasservorhersage an der Küste verbessert, d. h. von einer punktuellen Betrachtung auf die gesamte Küstenlinie erweitert werden. Die Ergebnisse aus Arbeitspaket 1 werden benötigt, um das übergeordnete Projektziel zu erreichen; die Ergebnisse fließen direkt in die anderen Arbeitspakete ein.

    Die Kenntnis der seegangsinduzierten hydrodynamischen Belastungen von Seedeichen, einschließlich deren zeitlicher und räumlicher Verteilung am Deich in Verbindung mit den lokalen Wasserständen ist von entscheidender Bedeutung eines risikobasierten Frühwarnsystems.

    Wesentliche Ziele des Teilprojekts:
  • Zur Verfügung stellen hochaufgelöster Seegangsdaten (Wave Monitor) für operationelle Frühwarnsysteme für die gesamte deutsche Nordseeküste mit einer stündlichen Auflösung und, in Abhängigkeit von den geomorphologischen Strukturen, mit einer räumlichen Auflösung von wenigen 100m entlang des Systems der Küstenschutzdeiche an der Nordseeküste und
  • ein integriertes Modell (Wave Load Simulator) für die Abschätzung der welleninduzierten Belastungen (Brandungsstau, Wellenauflauf, Strömungen, Schubspannungen) auf die Deichböschungen für das Teilprojekt Dike Monitor (WP3) zu entwickeln basierend auf den Vorhersagedaten von i).
  • Als Grundlage für das integrierte Modell wird eine Messkette zur Erfassung der hydrodynamischen Belastungen vor und auf den Seedeichen beispielhaft für einen Seedeich der Ortschaft Untjehörn auf der Nordseeinsel Pellworm in Kooperation mit dem Landesbetrieb für Küsten- und Naturschutz Schleswig-Holstein (LKN-SH) installiert und betrieben. Zusätzlich wird ein Konzept für ein optimales Wellenmessnetzwerk zu Vorhersagezwecken erstellt als Teil des Wave Monitor und in dem geplanten Geoportal implementiert (WP5).
  • Üblicherweise wird das Monitoring von Deichen und Deckwerken nach Sturmfluten visuell durchgeführt. Auffällige und sichtbare Schäden werden identifiziert und aufgezeichnet. Wird ein Schaden als gefährlich für die Sicherheit des Deichs eingestuft, so kommt es zur Erneuerung bzw. Instandsetzung des kritischen Deich- oder Deckwerkabschnitts. Für das geplante Frühwarnsystem wird jedoch ein Monitoringkonzept benötigt, welches objektiv und kontinuierlich Daten zum Zustand des Deichs erfasst, die in das Deich-Geoportal integriert werden können.

    Hierzu wird am Institut für Textiltechnik (ITA) und am Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft (IWW) der RWTH Aachen University ein innovatives Monitoringsystem für Seedeiche entwickelt, welches auf der Verwendung von mit Sensorfasern ausgestatteten Geotextilien (intelligenten Geotextilien) beruht.

    Zunächst werden die Anforderungen an ein sensorgestütztes Monitoringsystem definiert, um im Anschluss unter den gegebenen hydraulischen und geotechnischen Randbedingungen ein Messkonzept für intelligente Geotextilien aufzustellen.

    Um das Messkonzept für ein effektives Deichmonitoring zu entwickeln, finden am IWW derzeit kleinmaßstäbliche physikalische Vorversuche statt. Parallel hierzu entsteht in der Versuchshalle des IWWs ein großmaßstäblicher Modelldeich, an dem das neuartige intelligente Geotextil getestet und validiert sowie das Messkonzept weiterentwickelt werden kann. Ziel ist es schließlich, die durch die Sensoren gewonnenen Daten nach sinnvoller Verarbeitung in das Deich-Geoportal (vgl. AP 5) zu integrieren, sodass die Informationen zum Zustand des Deichs in das Frühwarnsystem einfließen. Für die letzte Phase des Projekts ist der Einbau des Messsystems auf einer Teststrecke geplant, um das entwickelte Monitoringkonzept unter Realitätsbedingungen zu prüfen.

    Eine Hochwasserrisikoanalyse setzt sich aus den drei Basisanalysen Zuverlässigkeitsanalyse, hydrodynamische Analyse und Analyse der Konsequenzen zusammen. In der Zuverlässigkeitsanalyse findet die Quantifizierung von Versagenswahrscheinlichkeiten für Bauwerke der Küstenlinie statt. Hierbei finden Einwirkungs-Versagensfunktionen Verwendung, die für Seedeiche bereits erfolgreich entwickelt wurden. In der hydrodynamischen Analyse werden numerisch Überflutungsgebiete sowie darin auftretende Wasserstände und Strömungsgeschwindigkeiten ermittelt. Im letzten Schritt erfolgt schließlich die Transformation der hydraulischen Parameter in Konsequenzen für Personen und Werte (Schadenspotentiale). Diese drei Basisanalysen werden in dem am IWW entwickelten Softwaresystem ProMaIDes (Protection Measure against Inundation Decision Support) kombiniert, welches bereits erfolgreich angewendet und für verschiedene Orte an der Deutschen Nord- und Ostseeküste verifiziert wurde.

    Ziel des AP 3 ist die Entwicklung eines Überflutungssimulators, um Überflutungsszenarien und Schadenspotentiale in Echtzeit zu simulieren. Hierzu sollen die bestehenden Module des Softwarepakets ProMaIDes in das Geo-Portal integriert und um eine Komponente erweitert werden, die die Verarbeitung der Echtzeitdaten aus den AP 1 - 3 erlaubt. Um ortsspezifische Gefährdungen zu ermitteln, Warnungen rechtzeitig herauszugeben und Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge zu ergreifen, bestehen die folgenden Anforderungen an den zu entwickelnden Überflutungssimulator:

  • Es gilt ein robustes System aufzubauen, welches stabil läuft und möglichst wenig Betreuung erfordert.
  • Um ständig aktualisierte Daten zur Verfügung zu stellen, sind möglichst geringe Rechenzeiten je Simulation und damit ein System mit höchster Effizienz anzustreben.
  • Trotz Vereinfachungen der mathematischen Ansätze, die erforderlich sind, sollten die Ergebnisse hinreichend genau sein und dennoch entstehende Unsicherheiten entsprechend bestimmt werden.
  • Für den operativen Einsatz und die Bedienung durch Menschen, die keine Experten auf dem Gebiet der Numerik sind, ist die Benutzerfreundlichkeit in Form einer übersichtlichen Aufbereitung der wesentlichen Informationen anzustreben.
  • Die Möglichkeit Datenformate anzupassen oder weitere Komponenten zu ergänzen, erfordert ein System mit einem hohen Maß an Flexibilität.
  • Um die Akzeptanz bei den Endnutzern zu erreichen, ist eine Verwendung bereits bestehender Modelle und zugehöriger Programme zu empfehlen.
  • Im Arbeitspaket 5 wird eine Sensor- und Geodateninfrastruktur (SGDI) entwickelt, die den Echtzeitdatenaustausch zwischen Sensoren, Modellen, Simulationen, externen Datenquellen und dem Endnutzer durch ein GeoPortal ermöglicht.

    Die zu entwickelnde SGDI soll als Schnittstelle zwischen existierenden räumlich-temporalen Daten und Echtzeitmessungen durch Geosensornetze dienen. Die Datenfusion aus unterschiedlichen Quellen, wie der Marine Dateninfrastruktur Deutschland (MDI-DE), ist entscheidend für ein ganzheitliches Monitoring von Deichen, da nur so die Validität der Modelle und Simulationen gewährleistet werden kann. Gleichzeitig müssen die berechneten Ergebnisse aus den anderen Arbeitspaketen durch Software-Schnittstellen an die SGDI angebunden werden.

    Die Implementierung der SGDI erfolgt nach dem Muster einer serviceorientierten Architektur (SOA). Es werden Web Services entwickelt, die den Zugang zu den Daten, Modellen und Simulationen erschließen. Zur Wahrung der Interoperabilität werden internationale Geoinformationsstandards der INSPIRE-Richtlinie der EU und des Open Geospatial Consortiums (OGC) eingesetzt. Diese Standards umfassen neben Datenmodellen auch Dienste zum Abrufen von Geodaten wie Web Map Services (WMS) und Web Feature Services (WFS) aber auch Prozessierungsdienste (Web Processing Service). Des Weiteren werden neue Mechanismen und Dienste erforscht, die Geodatenströme in Echtzeit erfassen, analysieren und prozessieren können. Nur so lassen sich gleichzeitig Sensordaten und Echtzeitsimulationen anbinden und integrieren. Eine besondere Bedeutung kommt dabei leichtgewichtigen Austauschprotokollen wie dem Internet of Things (IoT)-Protokoll MQTT zu, da hiermit ein leichtgewichtiges Messaging zwischen den unterschiedlichen Teilsystemen umgesetzt werden kann.

    Dazu wird in der angestrebten Architektur das Prinzip eines Event Bus eingeführt, der einen Datenaustausch- und einen Benachrichtigungsmechanismus vereint. Dieser wird durch GeoMQTT implementiert, welches eine Erweiterung des MQTT Protokolls darstellt. Durch die Architektur ist es möglich, gemessene Sensordaten direkt durch (Post-) Prozessierungsdienste weiterzuverarbeiten und bspw. mögliche Fehlmessungen zu filtern. Des Weiteren können so beliebige Prozessketten umgesetzt werden, die auf den Datenströmen agieren.

    Als zentraler Zugang zu jedweder Information wird ein Web-basiertes Deich-Geoportal aufgebaut, welches sowohl den direkten Zugriff auf die in Echtzeit erfassten Sensordaten als auch auf die ergänzenden Daten Dritter mittels stationärer und mobiler Endgeräte (z.B. Smartphones) erlaubt. Außerdem werden die Ergebnisse der wasserbaulichen Analyse- und Simulationswerkzeuge sowie Melde- bzw. Alarmierungsfunktionalitäten integriert.

Weiterführende Links zum Projekt:


Metadaten für EarlyDike im Nord- und Ostsee-Küsten Informationssystem (NOKIS).

Link auf die allgemeine EarlyDike-Projektseite.

Link auf die EarlyDike-Projektbeschreibung des Kuratoriums für Forschung im Küsteningenieurwesen (KFKI)

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Links zu verwandten Themen:


Internetauftritt des Projekts EcoDike, bei dem im Arbeitspaket 4 (Deichmonitoring) ebenfalls Sensoren auf Geotextilien zum Einsatz kommen.


Artikel auf der Seite Phys.org über Sensoren, die in Amsterdam zur Wartung von Deichen eingesetzt werden.


Projektbeteiligte
Insitut für Textiltechnik
Geodätisches Institut
Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft
RWTH Aachen University
Institut für Wasserbau
Forschungsinstitut Wasser und Umwelt
Bundesanstalt für Wasserbau
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Projektträger Jülich